Niedrige und auch sinkende Produktivität kennzeichnete in Preußen die feudale Landwirtschaft des 18. Jahrhunderts. Die preußischen
Agrarreformen bis 1850 ebneten als eine Revolution von oben mit zahlreichen Edikten über Jahrzehnte hinweg den Weg für bahnbrechende Veränderungen in der Landwirtschaft und waren somit die Voraussetzung
für eine neue Qualität der landwirtschaftlichen Produktion. Die Aufhebung von gemeinschaftlichen Weiderechten, Beseitigung der Gemengelage mit nachfolgender Separation (Flurneuordnung) aber auch die Gewinnung von
Ackerland, wie die Oderregulierung trugen u.a. wesentlich zur Erhöhung der Erträge und zu einer vielfältigen Ernährung bei. Die Hungersnot in den Städten durch den explosionsartigen Anstieg der Bevölkerung konnte
gemildert werden. Die Befreiung von Diensten war auch verbunden mit der Zahlung von Ablösegeldern. Zahlreiche Bauern bezahlten dabei ihre persönliche Freiheit mit ihrem wenigen Hab und Gut und wurden zu
Tagelöhnern. Die Herausbildung der Klasse der Landarbeiter war von großer Bedeutung für die weitere agrare Entwicklung.
Als süße Wurzel ist die Rübe bereits seit vielen Jahrhunderten als Kulturpflanze bekannt, anfangs als Blatt- und Wurzelgemüse bzw. zu Arzneizwecken verwendet und um 1750 im Magdeburger Raum als
Viehfutter eingesetzt. Bereits 1747 entdeckte A. S. Marggraf (1709-1782) den Zucker in der sogenannten Runkelrübe. Durch vielfältige züchterische Tätigkeiten entwickelte sich daraus die
“Zuckerrübe”. Die Rübe, Beta vulgaris, hatte 1832 ihren Einzug als Nutzpflanze im Oderbruch.
In der Ausstellung “Die süße Seite der Agrarreformen – Zucker aus dem Oderbruch” vom 13. Mai 2001
bis 12. August 2001 im Brandenburgischen Freilichtmuseum Altranft werden regional-geschichtliche Aspekte der Agrarreformen beleuchtet, die die Entwicklung zu einer facettenreichen Kulturlandschaft vorstellen.
Johann Gottlieb Koppe, 1782 – 1863, geboren als Sohn eines Kleinstbauern in Beesdau, avancierte zum Unternehmer eines neuen Typs. Als geschäftstüchtiger und vorausschauender Landwirt,
ausgerüstet mit den Thaerschen “Grundsätzen der rationellen Landwirtschaft“ begann er als geborener Praktiker die Domänen Wollup und Kienitz in wachsende und ertragreiche Wirtschaften zu verwandeln.
Der überaus fruchtbare Oderbruchboden erwies sich als ideal für den Anbau von Runkelrüben und garantierte hohe Erträge. Über zahlreiche Versuche gelang es Koppe, den Rübenanbau erstmals auf
600 Morgen im Oderbruch zu etablieren, um 1838 den ersten Zucker in der Kienitzer Fabrik zu produzieren.
Die damalige Technologie umfaßte das Reinigen der Rüben in diskontinuierlich betriebenen hölzernen
Waschtrommeln. Reibräder, von Ochsentreträdern angetrieben, zerkleinerten die Rüben. Die Saftgewinnung erfolgte nach der Zerkleinerung in Pressen. Die Reinigung des so gewonnenen und
erhitzten Saftes erreichte man durch den Zusatz von Chemikalien, vorzugsweise Schwefelsäure und Kalk, sowie Filtration über Knochenkohle. Anschließend dickte man den gereinigten Saft, anfangs in
feuerbeheizten, später in dampfbeheizten offenen Pfannen, bis zur Kristallisationsfähigkeit ein. Den Sirup füllte man in Hutformen, in denen sich durch Abkühlung die Zuckerkristallisation vollzog.
Unter diesen ursprünglichen Produktionsbedingungen waren Zuckerausbeuten von vier bis fünf Prozent üblich, unter modernen Produktionsbedingungen sind sie zweieinhalb- bis dreimal so hoch.
Da die Zuckerpreise sehr hoch lagen, war die Rübenzuckerfabrikation ein gewinnbringendes Gewerbe. Von 1850 bis 1867 entstanden weitere 17 Zuckerfabriken im Oderbruch. Die Ausbreitung der
Rübenzuckerfabrikation verbesserte die Verhältnisse auf dem Lande nachhaltig. So trat eine Förderung im Handel, Handwerk und Gewerbe ein, verbesserten sich die sozialen Verhältnisse, kam
es zur Konzentration von Arbeitskräften und erlebte der Straßen -, Bahn -, und Wohnungsbau einen Aufschwung. Über 150 Jahre war die Rübenzuckerproduktion eine entscheidende Existenzgrundlage.
Damit wurde J. G. Koppe zum Katalysator für die agrar-industrielle Revolution unserer Region.